Wenn einem erst gut zwei Wochen vor dem errechneten Entbindungstermin klar wird, dass eine natürliche Geburt eine reale Option ist, fallen einem plötzlich nicht nur die Dammmassage und die eventuelle Notwendigkeit eines Geburtskleides ein, sondern auch sowas wie die geburtsvorbereitende Akupunktur. Wollte ich eigentlich immer machen, hatte ich aber überhaupt nicht auf dem Schirm die ganze Zeit. Ich dachte kurz nach, ob ich das noch versuchen sollte, denn auch hier war ich eigentlich schon zu spät so mitten in der 38. SSW, da man üblicherweise damit in der 36. SSW beginnt, um die empfohlenen vier Termine unterbringen zu können. Da ich aber Akupunktur nach der Kinderwunschbehandlung sehr sehr positiv gegenüberstehe – schließlich haben die drei Embryonentransfers von den insgesamt sechs, an denen ich vor und nach dem Transfer Akupunktur bekommen habe, jeweils zu einer Schwangerschaft geführt -, entschied ich, wenigstens den Versuch zu starten. Also schrieb ich recht spät abends an 37+3 der von meiner eigenen Hebamme empfohlenen Hebamme eine SMS, erwartete allerdings, dass sie natürlich gar nicht mehr so schnell freie Termine hat und es sich damit einfach nicht mehr lohnt, überhaupt anzufangen. Aber nein, fünf Minuten später hatte ich nicht nur eine Antwort, sondern gleich einen Termin für den übernächsten Tag. 37+5, genau der Tag, an dem ich auch das Gespräch mit der Psychologin hatte. Es passte also ganz gut. Außer, dass die Hebamme nicht in meiner Geburtsklinik arbeitet, sondern in einer anderen. Aber egal, ich bin ja mobil.
Also hatte ich meinen ersten Termin tatsächlich gleich wenige Stunden, nachdem ich mich für den Versuch einer natürlichen Geburt entschieden hatte. Die Hebamme ist schon etwas älter (sicher Ü60) und wirklich sehr locker drauf irgendwie. Durchgeführt hat sie die Akupunktur in einem CTG-Zimmer bei den Kreißsälen; eine andere Patientin war auch da. Die Nadeln hat sie rasend schnell gesetzt und einfach durch meine Jeans und Socken. Das hat mich schon etwas irritiert, da ich es von der Biologin in der KiWu-Klinik anders kannte: nackte Haut, viel Ruhe und nicht nur ein kurzes Ansagen von „ein- und ausatmen“, sondern wirklich warten, dass ich bewusst ausatme, bevor sie die Nadeln gesetzt hat (an Stellen, die sie vorher gefühlt genau „ausgemessen“ hat). Nun ja, das war jetzt eben etwas anders. Die Punkte waren am Ohr, in die Hand, mehrere am Unterschenkel und eine in den Fußrücken. Autsch!!! Zum Glück hörte der Schmerz jeweils kurz nach Einstich auf, so wie es auch sein soll. Sonst wäre ich wohl noch skeptischer gewesen ob dieser doch sehr… schnellen Vorgehensweise (um ein neutrales Wort zu wählen). Der große Vorteil an dieser Klinik: meine Gynäkologinfreundin arbeitet dort und konnte mich während der Sitzung sogar kurz besuchen kommen, weil sie grade mit ihrer OP fertig war. Sie hat sich sehr gefreut, dass ich es mit der natürlichen Geburt versuchen will. Nun ja.
Nach 20 Minuten oder so war der Spuk vorbei und die Hebamme erwies sich als sehr pragmatisch, da sie mir gleich anbot, am Sonntag während ihrer Schicht wieder zu kommen, denn den nächsten Termin könnte sie mir sonst erst eine Woche drauf, also an 38+5, anbieten, und so könnten wir ziemlich sicher gehen, dass wir zumindest die drei Termine hinbekämen, die empfohlen werden, um eine ausreichende Wirksamkeit zu erreichen. Sonntag war ich also gleich wieder dort. Sie piekste an den üblichen Stellen, dann fragte sie bzw. stellte mehr fest „Du hast jetzt noch genau zwei Wochen, richtig?“ und schon hatte ich eine Nadel im kleinen Zeh. IM KLEINEN ZEH! Ich wusste vom Super-GAU, dass das der Punkt ist, der angepiekt wird, wenn man langsam die Wehen „einleiten“ will – angeblich kann es dann innerhalb von drei Tagen losgehen. Hallo?! Hatten wir nicht grade festgestellt, dass ich noch zwei Wochen hatte?! Und sollte ich nicht zumindest gefragt werden? Also echt! Ich war etwas erschüttert. Zum Glück wusste ich vom Super-GAU auch, dass ihr Sohn sich so überhaupt nicht von dieser Nadel im kleinen Zahl hatte beeindrucken lassen und schwor Elsa darauf ein, es ihm gleich zu tun. Gut, wie unschwer nun bewiesen ist: nix da mit Wehen nach drei Tagen. Allerdings hatte ich nach dem Termin – zumindest verbinde ich es damit – zum ersten Mal überhaupt in dieser Schwangerschaft migräneartige Kopfschmerzen. Nicht schön! Die ließen zum Glück irgendwann von alleine nach, also ganz ohne „Drogenkonsum“, und Dank Schwangerschaftsdemenz hatte ich es bis zum nächsten Termin glatt wieder vergessen.
Der nächste Termin war dann wie besprochen wieder am Freitag (38+5). Der Zeh war wieder dran, dafür das Ohr nicht mehr. Dazu hatte sie vorher gesagt, es sei ein Entspannungspunkt. Anscheinend war Entspannung nicht mehr angesagt. Ich war trotzdem froh, jetzt schon mal die anscheinend wichtigen drei Sitzungen noch geschafft zu haben. Und da Elsa ja brav ist, konnte ich vorgestern (39+2) auch noch die vierte und letzte Sitzung absolvieren. Ich habe immer andere Schwangere bei der Akupunktur kennengelernt. Bei dieser letzte Sitzung eine, die nun seit zwei Wochen bereits über dem Termin ist! Ich dachte, das geht heute gar nicht mehr, weil sie nach spätestens zehn Tagen einleiten, aber da es ihr und dem Baby noch gut ginge, würde noch abgewartet. Das lustige allerdings daran: Sie will auf gar keinen Fall eine Einleitung, sondern dann einen Kaiserschnitt. Den wollte sie eigentlich sowieso schon immer, aber irgendwie hat sie das nicht wirklich durchbekommen bzw. anbringen können. Na gucke mal, ich bin gar nicht das einzige Einhorn unter den Schwangeren, die eigentlich einen Kaiserschnitt der natürlichen Geburt vorzieht. Wir haben uns dann ein bisschen unterhalten und ich habe ihr von meinem Deal im Westend erzählt. Hilft ihr jetzt natürlich nicht mehr wirklich, zumal sie auch in der Klinik zur Entbindung angemeldet ist, wo auch die Akupunktur war. Aber die Alternative Kaiserschnitt statt Einleitung will sie jetzt doch nochmal ansprechen jetzt.
Wir sprachen dann darüber, wie sehr es wohl auch bei der Geburt bzw. dem Beginn dazu um Kopfsache geht und sie vielleicht wegen des eigentlichen Wunsches nach einem KS einfach noch keine Wehen bekommt. Da kam die Hebamme dazu und hatte zwei interessante Geschichten zu erzählen. Zum einen hätte sie jetzt grade eine Patientin, die seit Tagen eingeleitet wird, aber einfach keine Wehen bekommt. Nun hätte sie erst erfahren, dass die Frau unbedingt ihren Mann dabei haben möchte, der muss aber zu Hause auf das erste Kind aufpassen, da die Großmutter erst am nächsten Tag kommen könne, um das zu übernehmen. „Jetzt wundert mich auch überhaupt nicht mehr, dass die keine Wehen hat. Da können wir das jetzt auch erstmal lassen bis morgen.“ Und eine andere Patientin kam vor einiger Zeit in den Kreißsaal augenscheinlich noch recht entspannt – mit ihrem kleinen Kind im Schlepptau. Der Papa könne es erst später abholen. Ein Blick auf den Muttermund ließ die Hebamme aber wundern: Schon 7cm offen, sie müsste eigentlich schon heftigste Wehen haben und lange nicht mehr so gelassen wirken. Kaum war der Mann gekommen und das Kind weg, „erklärte sie sich bereit, jetzt das Baby zu bekommen“, schrie plötzlich unter den doch vorhandenen Wehen und brachte innerhalb kürzester Zeit ihr zweites Kind auf die Welt. Zitat der Hebamme: „Ihr Frauen könnt schon tolle Sachen.“